Gastkommentar von Aussenministerin KAMIKAWA Yoko in der Neuen Zürcher Zeitung vom 13. Dezember 2023

2023/12/13
Japans Aussenministerin Yoko Kamikawa
Kirschblüte und Edelweiss: Japan und die Schweiz verbindet eine lange, freundschaftliche Beziehung

Im Jahr 2024 werden es 160 Jahre her sein, dass Japan und die Schweiz erstmals diplomatische Beziehungen aufgenommen haben. Japan befand sich 1864 noch im Zeitalter der Samurai, die beiden Länder verbindet somit eine lange Geschichte.

Japans Aussenministerin Yoko Kamikawa.
 
Die bilateralen Beziehungen zwischen Japan und der Schweiz wurden am 6. Februar 1864 mit der Unterzeichnung des Freundschafts- und Handelsvertrags zwischen dem Shogun Tokugawa Iemochi und der Schweizerischen Eidgenossenschaft aufgenommen. Japan befand sich damals noch im Zeitalter der Samurai.

Die beiden Länder verbindet daher eine lange Geschichte. Obwohl Tokio und Bern fast 10 000 Kilometer voneinander entfernt liegen, haben wir viele Gemeinsamkeiten: imposante und ästhetische Berge (auch in Japan gibt es Gebirge, die den Namen «Alpen» tragen), eine fleissige Bevölkerung und hohe Standards in Wissenschaft, Technologie und Innovation.

Gemeinsame Werte

Die japanische Kirschblüte und das Schweizer Edelweiss im Logo zum 160-Jahr- Jubiläum stehen ebenfalls für unsere gemeinsamen Werte Ausdauer, Ästhetik und Liebe. In unserem Jubiläumsjahr möchten wir verschiedene Austauschprojekte in beiden Ländern durchführen, um die freundschaftlichen Gefühle in der Bevölkerung beider Nationen weiter zu vertiefen.

Genf und Davos sind zu Synonymen für internationale Konferenzen geworden. Ich möchte meinen Respekt dafür zum Ausdruck bringen, dass die Schweiz als neutrales Land zahlreiche internationale Organisationen beherbergt und eine Plattform für die Erhaltung und Stärkung des Multilateralismus bietet.

Organisiert von der Schweiz und vom Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR) mit Japan als einem der Mitveranstalter, beginnt am 13. Dezember in Genf das 2. Globale Flüchtlingsforum (GRF). Im vergangenen Jahr hat die Zahl der Flüchtlinge und Vertriebenen weltweit zum ersten Mal die Marke von 100 Millionen überschritten. Die Krisen in verschiedenen Teilen der Welt, wie Palästina, Syrien oder der Ukraine, dauern an, und die Flüchtlinge können nicht in ihre Heimat zurückkehren.

Gleichzeitig verursachen neue Krisen weitere Flüchtlingsströme. Die Geflüchteten sind gezwungen, auf Dauer ohne Hoffnung auf eine Zukunft zu leben, und sie sind in ihrer Menschenwürde bedroht. Unter diesen Umständen ist es von grosser Bedeutung, dass das GRF in der Schweiz stattfindet, der Wiege des internationalen Humanismus.

Wenn die gegenwärtige Situation sich selbst überlassen bleibt, könnte die erzwungene globale Migration künftig noch schneller zunehmen. Im Hinblick auf die menschliche Sicherheit müssen wir der Stimme jedes einzelnen Flüchtlings und Vertriebenen Gehör schenken und die fortschreitende Verschlechterung der humanitären Lage um jeden Preis stoppen.

Japan wird sich für die Prinzipien der Humanität einsetzen und weiterhin tatkräftig humanitäre Hilfe leisten, um das Leben gefährdeter Menschen zu retten und ihr Leid zu lindern. Jedoch lässt sich mit humanitärer Hilfe allein – d. h. nur mit der fortwährenden Bereitstellung von Nahrungsmitteln, Wasser und Unterkünften für bedürftige Menschen – das Problem nicht grundlegend lösen. Wir müssen einen weiter vorausschauenden, mittel- bis langfristigen Ansatz verfolgen.

Im heutigen GRF werde ich dafür plädieren, dass wir eine Zukunftsvision verfolgen sollten, nach der jeder einzelne Flüchtling und Vertriebene Träume haben, nach ihnen streben und sie verwirklichen kann. Basierend auf der Vision des «Humanitarian, Development and Peace Nexus» hilft Japan Flüchtlingen und Vertriebenen durch Schul- und Berufsausbildung, ihre Talente zu entwickeln und Eigenständigkeit zu erlangen. Wir ermutigen sie ausserdem nachdrücklich, sich Fähigkeiten anzueignen, mit denen sie zum Frieden und Wiederaufbau in ihren Heimatländern beitragen können.

Besonders gefährdet unter den Flüchtlingen und Vertriebenen sind Frauen. Der Grundsatz des WPS («Frauen, Frieden, Sicherheit») besagt, dass die gleichberechtigte Beteiligung von Frauen, der Schutz vor sexueller Gewalt in Konflikten und die Gender-Gleichstellung wichtige Faktoren in den Bereichen des internationalen Friedens sowie der Konfliktprävention und -lösung sind. Dieser Grundsatz ist für die Ausarbeitung von Lösungen zu Problemen dieser Themenfelder unerlässlich. Japan wird weiterhin in sämtlichen Prozessen der humanitären Hilfe, der Entwicklungszusammenarbeit und der Friedensinitiativen der Geschlechtergerechtigkeit sowie der Beteiligung von und Führung durch Frauen grosse Bedeutung beimessen.

Frieden und Stabilität durch Kooperation

In diesem und im nächsten Jahr sind Japan und die Schweiz gemeinsam nichtständige Mitglieder im Uno-Sicherheitsrat. Inmitten der humanitären Krisen, die in vielen Teilen der Welt aufgetreten sind und andauern, möchten wir weiterhin eng zusammenarbeiten, um sicherzustellen, dass Frieden und Stabilität durch die Kooperation der internationalen Gemeinschaft gewährleistet werden können.

Zudem beabsichtige ich, das 160-Jahr-Jubiläum der Aufnahme diplomatischer Beziehungen im kommenden Jahr als Gelegenheit zu nutzen, um unsere bilateralen Beziehungen in allen Bereichen wie der Wirtschaft, der Wissenschaft, der Technologie und der Innovation, die zu den Stärken unserer beiden Länder gehören, auf ein neues Niveau zu heben.



Dieser Artikel wurde zuerst in der NZZ vom 13. Dezember 2023 veröffentlicht.
https://www.nzz.ch/meinung/kirschbluete-und-edelweiss-japan-und-die-schweiz-verbindet-eine-lange-freundschaftliche-beziehung-ld.1769859